Geschichtsträchtige Hügel und autochthone Sorten

Die Weinrunde in den Colli Orientali del Friuli

Tagebucheintrag vom 9.11.12

Pervini, Povoletto

friaul_01Erste Station unserer kurzen Reise ist das Weingut Pervini in Povoletto. Der junge, ambitionierte Alessandro Pervini führt das Weingut inzwischen mit seinem Vater. Er erzählt, dass seine Linie, sich auf wenige Weine zu konzentrieren, anfangs bei seinem Großvater auf Unverständnis gestoßen sei. Jetzt hätten sich die Wogen geglättet, und sowohl der Großvater wie der Vater unterstützen seinen Weg inzwischen. Nach einer 6jährigen Ausbildung in Ospitale folgten Aufenthalten im Bourdeaux und im Burgund, die für ihn prägend waren.

Bei der Verkostung gefiel vor allem der sehr trinkige Merlot 2011 mit einem tollen Preis-Leistungs-Verhältnis, der Refosco 2011, der aus 2 Monate getrockneten Trauben hergestellt wird sowie der süße Verduzzo aus teilweise 100 Jahre alten Reben. Er duftet dezent nach Akazienhonig und Akazienblüten. Auch der Picolit war sehr gut .

Die freundliche Bewirtung von Mutter Pervini sei hier besonders hervorgehoben: Torta salata, frico (dünne Fladen aus gebackenem Montasio – nicht zu verwechseln mit dem in den karnischen Alpen bekannten frico!) sowie der gubana, einem mit Sultaninen und fein gehackten Nüssen gefüllten Kuchen, ähnlich einem Gugelhupf, der mit Slivovitz getränkt genossen wird.friaul_02

Ronc di Vico, Povoletto

Die Familie del Fabbri produziert erst seit 2004 Weine für den Verkauf, allerdings (noch) in kleinen Mengen. Für den Friulano 2011 gab es bereits „tre bicchieri“ im „Gambero Rosso“. Wir konnten den 2009er sowie den 2010er verkosten, die im gebrauchten Eichenfass reifen (der 2011er war leider schon ausverkauft). Interessant war vor allem der Merlot 2009: in der Nase sind etwas vegetale Noten wahrnehmbar, im Mund rote Johannisbeere. Der Merlot Titut Ros 2009 präsentiert sich sehr stoffig, beinahe etwas breit und leicht marmeladig. Beim Refosco del Peduncolo Rosso 2009 fallen die sehr präsenten Tannine und die klare Frucht auf. Beachtung verdient auch der Picolit 2009, ein toller Süßwein, der wunderbar nach Bienenwaben duftet.

Miani, Buttrio

Zu den seltenen Glücksfällen gehört unser Besuch beim Weingut Miani von Enzo Ponton in Buttrio. Dank Alessandro Pervini, der unter Kellermeister Enzo gearbeitet hat, treffen wir den eigenwilligen Weinbauern (der Begriff trifft hier zu, ist er doch alles andere als einer dieser modernen winemaker, die sich mehr aufs Marketing verstehen als auf die Passion des Weinmachens!). Er kommt auf seinem Traktor daher, man glaubt anfangs gar nicht, dass es sich bei ihm tatsächlich um den legendären Pontoni handelt. Sofort wird klar: dieser bescheidene, wortkarge Mann liebt seine Arbeit und pflegt eine besondere Verbindung zu seinen 18ha großen, bis 2008 konsequent biodynamisch bewirtschafteten Weinbergen, aus denen er im Schnitt ca. 12.000 Flaschen Wein gewinnt. Er erzählt, dass er inzwischen von der konsequenten biodynamischen Linie abgewichen ist, da die Ausfälle mitunter 20 % und mehr betrugen. Gerade in sehr schwierigen Jahren sei er gezwungen, bei Bedarf auch Chemie einzusetzen.

friaul_03Seinem Erfolg und seinem Ruhm scheint dies keinen Abbruch zu tun, gilt er nach wie vor als einer der besten Erzeuger Italiens. Im „Gambero Rosso“ wird er als einer der besten zehn Winzer Italiens geführt und hat für seine Weine schon mehr als zehnmal die „tre bicchieri“ erhalten. Enzo Pontoni vinifiziert und füllt inzwischen nur mehr „Cru-Weine“, also Lagenweine ab, die größtenteils in großen Eichenfässern ohne Temperatursteuerung vinifiziert werden. Die Weine erinnern an große Baroli, sind in ihrer Jugend oft unzugänglich und höchst eigenwillig. Wenn Enzo erzählt, leuchten seine blauen Augen, selten huscht ein Lächeln über seine Lippen. Beinahe etwas aufgeregt warten wir darauf, dass er endlich einen seiner besonderen Weine für uns öffnet. Er geizt nicht beim Einschenken, doch jeder von uns ist froh, nicht nur eine homöopathische Dosis dieser außergewöhnlichen Weine im Glas zu haben.

Die Tocai-Trauben für den Friulano 2011 kommen von 70 – 80 Jahre alten Reben. Der Wein hat eine bemerkenswerte Tiefe, eine wunderbare Mineralität sowie eine Länge im Abgang, die nicht enden will.

Der Merlot 2009 reifte 30 Monate im Barrique. Die schier undurchdringliche Farbe findet eine Entsprechung im Gaumen: dunkle Beeren, Würze, unglaubliche Dichte – wahrlich ein großer Wein!!

Enzo erklärt uns, dass er einen großen Teil älterer Weinbestände verkauft hat, um einige Parzellen dazuzukaufen – er schaue nach vorne und lebe nicht in der Vergangenheit. Trotzdem haben wir das Glück, einen Merlot 2002 zu verkosten: die Nase betört mit dem Duft nach weißen Trüffeln, Granatapfel, Brombeeren, im Gaumen Ribes und auch hier wieder: Eleganz, Länge und Komplexität. Enzo, sei un mago!

friaul_04Der Refosco 2002 sucht wohl ihresgleichen: tiefdunkel, mit geradlinigen, feinen Tanninen und einer wunderbaren fruchtigen Frische.

Einige Flaschen für Manfreds Weinkeller können wir ihm zum Abschied doch noch abschwatzen. Unser überschwänglicher Dank dafür und für das einzigartige Erlebnis, ihn und seine Weine kennengelernt haben zu dürfen, ist ihm geradezu peinlich. In seiner Bescheidenheit meint er zum Abschied: „Basta, basta, mi mettete in imbarazzo!“

Meroi, Buttrio

Das Weingut der Familie Meroi gibt es seit 1920, Flaschenweine werden erst seit den 80er-Jahren abgefüllt. Ihr roter Topwein, die Cuveè Dominin 2009 präsentiert sich bei unserer Verkostung noch recht kantig mit trockenen Tanninen, beinahe etwas wuchtig. Er dürfte wohl noch zu jung sein.

Beim anschließenden Abendessen im dazugehörigen Restaurant „Al parco“ probieren wir noch den 2006er Dominin, der bereits viel zugänglicher ist und eindeutig mehr Trinkfreude bereitet.

Ronco del Gnemiz, San Giovanni

friaul_05Wir besuchen Serena Palazzolo und ihren Mann Christian auf ihrem kleinen Hof mitten in den Weinbergen. Das Weingut von Serena Palazzolo produziert seit 1963 Weine, die ca. 25.000 produzierten Flaschen kommen großteils von 60 bis 90 Jahre alten Reben. Seit 22 Jahren werden die Weinberge biologisch bewirtschaftet, seit 2009 mit der biodynamischen Methode.

Wie uns Christian, Serenas Mann, im gemütlichen Wohnzimmer erzählt, erfolgt die Fermentation der Weine im Holz. Sie werden nicht mazeriert und sehr wenig filtriert. Das Ziel sind langlebige, charakterstarke Weine, die das Terroir bestmöglich widerspiegeln sollen.

Wir beginnen die Verkostung mit dem Bianco San Zuan 2011 aus Tocai Friulano-Trauben: Schöne Zitrus- und Pfirsichnoten sind wahrnehmbar, Der dezente Holzton rührt vom sehr vorsichtigen Einsatz neuen Holzes (nur jedes fünfte verwendete Fass ist neu) Am Gaumen verfügt der Wein verfügt über ausgeprägte Mineralität und Salzigkeit. Christian erklärt uns, dass es schwierig sei, einen wirklich langlebigen Friulano zu machen.

Sauvignon Sol 2011:Die Fermentation erfolgt im Barrique, das zu 30 % neu ist. Die Aromatik ist sehr schön und unaufdringlich: Pfirsich, Zitrus, mit einem florealen Hauch. Ganz anders wie die manchmal sehr grasigen Sauvignons aus Südtirol. Der Wein zeigt sich am Gaumen noch sehr jung, aber mit einer bemerkenswerten Struktur und markanten Säure.

Sauvignon Peri 2011: Der Wein präsentiert sich mit dezenten Noten nach Zitronenmelisse in der Nase, im Mund mit einer schönen Mineralität, Salzigkeit und gleichzeitig elegantem Schmelz.

Chardonnay Sol 2011: Bouquet nach Vanille, Apfel, Zitrus, im Mund kraftvoll, mit schön eingebundenen Holznoten.

Sauvignon Sol 2004: In der Nase Holunderbeere, reife Banane, ganz leichte Petrolnote, im Mund noch knackige Säure.

Rosso del Gnemiz 2009: Bei dem Wein handelt es sich um eine klassischen Bourdeaux-Verschnitt aus Merlot Cabernet Sauvignon und Cabernet Franc (70:30). An Kirschen erinnernder Duft, zarten Kräuternoten und ein wenig Lakritze, im Mund noch etwas „grüne“, sehr präsente Tannine, ein Wein, der jetzt schon sehr viel Trinkfreude bereitet (die Flasche war als erste leer…).

Rosso del Gnemiz 1999: In der Nase Schokolade, Kaffee, dunkle Früchte, im Mund Brombeere, Schokolade, ein sehr ausdrucksstarker, stoffiger Wein!

Eine Besonderheit, die uns Serena probieren lässt, ist der Cabernet Dott. Palazzolo 2008, ein Wein, der zum Anlass von Vater Palazzolos 80. Geburtstag abgefüllt wurde und nicht für den Verkauf bestimmt ist: In der Nase interessante Würze, Pfeffer, Leder, im Mund von einer bemerkenswerten Komplexität und Jugendlichkeit!

Auf dem Heimweg machen wir in Sappada Halt im Restaurant „Laite“ bei Roberto und Fabrizia: gemütliches Ambiente im holzgetäfelten Interieur in einem Haus aus dem 17. Jh., kreative, teilweise etwas verspielte und überladene Gerichte (weniger wäre manchmal mehr!), gute Weinkarte (Roberto hat für uns eine interessante Weinverkostung mit insgesamt 9 verschiedenen Weinen zu den 6 Gerichten zusammengestellt).

http://www.ristorantelaite.com

wg