Barcelona – die Zweite: Die Weinrunde in Katalonien

Das Weinland Spanien, drittgrößter Weinproduzent der Welt, bietet schier unerschöpfliche Möglichkeiten für reiselustige Weinfreunde. Allein in der Region Katalonien gibt es 8 Denominaciones de Origen, also Gebiete mit Ursprungsbezeichnung.

Zwei davon, nämlich Costers del Segre (Raimat) und Terra Alta (Celler Barbara Forés – Ferrér Escoda) sowie eine Kellerei in Somontano (Viñas del Vero) im DO-Bereich Aragón waren Ziele unserer Reise vom 28. April bis 1. Mai 2001.

Den Auftakt unserer Reise bildet der Besuch bei Lafuente, einem der bekanntesten Weinhandelshäuser Barcelonas, wo wir auf unsere Freunde treffen, die einige Tage früher aufgebrochen waren, um die Gegend aus der Perspektive eines Golfspielers zu inspizieren. (Allerdings war aus den Gesichtern unserer compañeros, die bei Lafuente auf uns warteten, zu lesen, dass sie auch das Nachtleben schon erkundet hatten…)

Celler Barbara Forés – Ferrér Escoda

Erste Station ist Gandesa, Hauptort der Weinbauregion Terra Alta in der Provinz Tarragona. Die 3400 Einwohner zählende Stadt, ca. zwei Autostunden südlich von Barcelona entfernt, geht in ihren Ursprüngen auf die Araber zurück. Sehenswert sind die im Jugendstil erbauten Hallen der Weinkooperative der Stadt.
Wir haben einen Termin mit Barbara Forés, Besitzerin der Kellerei Ferrér Escoda. Die beiden Besitzer, recht distinguierte Personen, muten eher nach Gutsherren denn nach Weinbauern an.
Wie uns ihr Mann erklärt, wurde 1995 mit der Übernahme des elterlichen Betriebes durch Barbara Forés umstrukturiert. Von ursprünglich großteils weißen Trauben (vor allem Garnacha blanca) wurde umgestellt auf rote Sorten wie Garnacha carineña, Cabernet, Merlot, Syrah. Die Trauben werden knapp gehalten, um die Qualität zu erhöhen.
Die Weißweine präsentieren sich trocken mit viel Alkohol, relativ breit mit wenig Säure. Der Ertrag bei den Weißweinen beträgt 2000 kg / ha, was 20 hl entspricht. Bei den Rotweinen ist es doppelt so viel. Dabei stellt sich die im Sommer vorherrschende Wasserknappheit als limitierender Faktor heraus, da bis jetzt noch nicht künstlich bewässert wird. Für den Herbst ist eine Tropfberegnungsanlage geplant.

Das von uns verkostete Weinsortiment zeigt, dass auf Qualität gesetzt wird: Der Weißwein „Quintà“ 2000, zu 100 % Garnacha blanca, in Barriques ausgebaut, präsentiert sich in der Nase noch sehr holzbetont, mit einem Hauch nach Zitrusfrüchten. Die 14 %vol. Alkohol vermag er nicht zu kaschieren.
Beeindruckender dafür der Rotwein „Coma d’en Pou“ 99, eine Cuvee aus je 35 % Cabernet und Syrah sowie 20 % Garnacha und 10 % Merlot. Er zeigt sich noch sehr verschlossen, aber dicht, an Gewürze erinnernd, mit langem Abgang.
Das Finale bildet die Fassprobe einer Garnacha blanca-Spätlese. Unser Resümee: Ein kleiner Betrieb, der zu Recht besondere Beachtung verdient.

Viñas del Vero

Die DO Sommontano am Fuße der Pyrenäen kann mit einigen renommierten Betrieben wie Enate, Pirineus oder Viñas del Vero aufwarten. Wir nehmen uns letzteren für einen Besuch vor.
Das Innere des in der Nähe von Barbastro gelegenen Hauptgebäudes wird dominiert von chromblitzendem Stahl und nüchternem Beton. Die Schaltzentrale, in der die Gärprozesse computergesteuert ablaufen, mutet an wie die Computerzentrale in einem Kraftwerk – rot und weiß blinken die Lämpchen. Hier wird nichts dem Zufall überlassen. Schon bei der Anlieferung des Traubenmaterials wird per Computer Gewicht und Zuckergehalt kontrolliert. Bei einer Anbaufläche von 650 ha sowie zusätzlichen 350 ha von externen Anlieferern wohl ein absolutes Muß.
Der Betrieb demonstriert eindrucksvoll, dass Unternehmen solcher Größenordnung ohne High-Tech nicht mehr auskommen.
Sowohl in der Beratung beim Anbau wie auch im technischen Bereich wird eng mit der Universität Zaragoza zusammengearbeitet. Die Anlage nutzt die Schwerkraft in einem natürlichen Stufensystem, damit der Wein nicht unnötigerweise herumgepumpt werden muss.

Der Weinkeller ist eigentlich keiner, sondern eine riesige Lagerhalle mit Barriquefässern ohne Ende, typisch für große spanische Bodegas. Übereinandergestapelt lagern 6000 Fässer, die hier bis zu 7 mal verwendet werden. Im Flaschenlager ein ähnliches Bild: 5 Millionen (!) Flaschen liegen dort, das entspricht auch der Jahresproduktion. Die Weine werden zu 30 % exportiert: nach Deutschland, in die USA, Japan und ein wenig auch nach Italien. Natürlich bindet ein Betrieb von solcher Größe auch relativ viel Arbeitskraft: 150 Personen arbeiten auf dem Feld, 60 fix im Betrieb. Wie uns erzählt wird, arbeitet das Unternehmen auch an einem Wein von höherer Qualität, was wir in der anschließenden Besichtigung des zum Betrieb gehörenden Weinguts „Blecua“ eindrucksvoll präsentiert bekommen.

Das Traubengut von 9 ha Anbaufläche wird ausschließlich von Hand gelesen, aus den 175 Barriquefässern, in denen der Wein aus Garnacha, Cabernet, Merlot und Tempranillo reift, werden zuletzt nur 20 ausgewählt, gemischt und nochmals in Barriques gefüllt. Die Führung durch die Räume ist eine perfekte Inszenierung auf höchstem Niveau: Die Kellerräume, in denen die Barriques lagern, sind durch spezielle Beleuchtungskörper in ein fast magisches, unwirkliches Licht getaucht. Im Präsentationsraum, stilvoll eingerichtet mit Designermöbeln, steht eine Vitrine mit einer Flasche, aus dessen Inhalt die Träume sind: „Blecua“, das Ergebnis eines mit unvergleichlicher Präzision und enormem Aufwand durchgeführten Verarbeitungs- und Selektionsprozesses. Der Preis dürfte wohl nur symbolischen Charakter haben… Leider sei der Wein im Moment nicht zu haben, wird uns vom freundlichen, sehr bemühten jungen Herrn auf unsere Frage nach einer Verkostung des edlen Rebensaftes mitgeteilt. Wir geben uns notgedrungen mit der Verkostung des „normalen“ Sortiments von Viñas del Vero zufrieden. Bei einem Betrieb dieser Größenordnung ist verständlicherweise das untere und mittlere Preissegment überrepräsentiert. Besonders erwähnenswert der Cabernet Sauvignon 98 mit noch etwas unreifen, vegetalen Noten, aber mit gutem Preis-Leistungsverhältnis.

Raimat

Der neue Komplex in der Nähe von Lérida (katalanisch Lleida) sticht dem Besucher sofort ins Auge. Der moderne, in Glas, Metall und Beton verwirklichte, futuristische Bau kontrastiert mit der angrenzenden alten Lagerhalle. Für den Bau wurde ein Hügel abgetragen, das Gebäude errichtet und anschließend zum Teil wieder mit Erde bedeckt, sodass es sich perfekt in die Landschaft integriert.
Die Empfangshalle lässt ahnen, dass wir es auch hier mit einem Erzeugerbetrieb in großem Stil zu tun haben. Die freundliche junge Dame, die uns durch den Betrieb begleitet, füttert uns gleich zu Beginn mit einigen historischen Eckdaten. Das Gut Raimat gibt es seit 1614, allerdings in Sant Sadurní d’Anoia. Die Familie Raventos hat in den 30er Jahren aus der einstmals wüsten Gegend mit salzigem Boden durch die Errichtung von Bewässerungskanälen fruchtbares Land geschaffen, um Trauben für die Cavaproduktion anpflanzen zu können. Tatsächlich ist es auch heute noch so, dass von der Ernte aus 1500 ha Land ca. 60 % nach Sant Sadurní d’Anoia für die Cavaproduktion gehen. Hier wird erst seit 1974 Cabernet Sauvignon angepflanzt. Weiters werden in diesem größten Weingut Europas Xarel-Lo, Macabeo, Parellada, Chardonnay sowie die roten Sorten Merlot, Tempranillo und Pinot Noir kultiviert.

Der Name Raimat leitet sich aus dem Wappen ab: eine Hand und eine Traube, im Katalanischen steht Rais für Traube, Ma bedeutet Hand.
Wir beginnen die Führung im alten Gebäude, das im Stil der modernistas von einem Schüler des großen Architekten Antoni Gaudì erbaut wurde.
Auffallend und für uns ungewohnt sind die überdimensionalen Ausmaße des Gebäudes.
An die 13.000 Barriquefässer finden sich in der Lagerhalle, die Jahresproduktion beträgt 5 Millionen Flaschen.
Der Verkostungsraum, einer neoklassizistischen Säulenhalle nachempfunden, vermittelt Kühle und Distanz. Zum Abschluss der Führung verkosten wir das Sortiment von 7 Weinen.
Hervorzuheben sind der Cabernet Sauvignon, ein an Waldfrüchte erinnernder, mit guter Struktur ausgestatteter Wein, der sich durch sein optimales Preis-Leistungsverhältnis auszeichnet, sowie der Cabernet Sauvignon Reserva 94, der noch immer eine gewisse Härte durch ein gutes Tanningerüst aufweist und mit einem sehr guten Potential ausgestattet ist. Er vermittelt Eindrücke von reifen Johannisbeeren, Tabak und Vanille. Der Abadia 98, eine Cuvee aus Cabernet und Merlot mit seinen angenehmen Kirschtönen und vegetalen Noten fällt durch eine wohltuende Fülle auf.

Tipps:

Restaurant El Flor, Barbastro: Vorzügliche Küche, angenehm-lockere Atmosphäre, gute Weinkarte, faire Preise
Restaurant Casa Juan, Cambrills: Gediegene Atmosphäre, erlesene Fischspezialitäten, gehobene Preisklasse.